Prüfmittelüberwachung – Kolbenhubpipetten

Rückführung von Prüfmitteln

Alle im Verlauf einer Prüfung verwendeten Geräte, die das Ergebnis einer Prüfung beeinflussen können, sind regelmäßig auf den Fortbestand ihrer Eignung und ihre Richtigkeit und Präzision zu bewerten. Entsprechend dem Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung ist die Bedeutung des jeweiligen Prüfmittels angemessen durch Auflagen an Überprüfungsintervalle und Dokumentation zu würdigen.

In biologischen und medizinischen Prüfungen besonders intensiv genutzte Prüfmittel sind Kolbenhubpipetten, die nach dem Luftpolsterprinzip oder direktverdrängend arbeiten. Undichtigkeiten, Passgenauigkeit der verwendeten Spitzen und deren Material, Handhabungsbedingungen das Pipettiergut wie auch die Pipette betreffend, Luftdruck und weitere Faktoren beeinflussen die Leistungsfähigkeit dieser Prüfmittel zum Teil signifikant.

Für die Überprüfung von Kolbenhubpipetten eignen sich prinzipiell sowohl das als Goldstandard bezeichnete gravimetrische Verfahren (ISO 8655-2 und ISO 8655-6) als auch photometrische oder titrimetrische Verfahren, wie sie in der „ISO 8655-7  Volumenmessgeräte mit Hubkolben“ beschrieben werden. Zunächst erscheint das gravimetrische Verfahren einfach und schnell. Selbstverständlich sind die DAkkS-Texte „71 SD 0 005 Merkblatt zur metrologischen Rückführung im Rahmen von Akkreditierungsverfahren„, „71 SD 4 027 Leitlinien und Beispiele für Überwachungsfristen von Prüfeinrichtungen für Laboratorien in den Bereichen Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Agrarsektor, Chemie und Umwelt sowie Veterinärmedizin und Arzneimittel“ und „Leitfaden für die Volumenbestimmung bei Referenzmessprozeduren in medizinischen Referenzlaboratorien Teil 1“ längst in die eigene DNA übergegangen, wenn auch sie auch nicht die neueren Erkenntnisse der Physikalisch-Technische Bundesanstalt DKD nicht gebührend zu berücksichtigen scheinen, denn die vorgenannten Texte wie auch viele Texte von Herstellern von volumetrischen Instrumenten beziehen sich meist auf die Vorgängertexte. Bei der PTB selbst segeln die Texte zudem unter zwei unterschiedlichen Flaggen: „Richtlinie Kalibrierung von Kolbenhubpipetten mit Luftpolster -DKD-E_8.1_neu_01.pdf“ steht in dem Linktext des einen Dokuments, während es selber schlicht: „Expertenbericht DKD-E 8-1 Experimentelle Studie zur Kalibrierung von Kolbenhubpipetten mit Luftpolster“ titelt. Nämliches gilt für das Geschwisterdokument, welches die Einflussgrößen auf die Kalibrierung beschreibt. Für Untersuchungen sind rückgeführte und arbeitstäglich überprüfte Messnormale (Waage, Photometer …) mit der empfohlenen Präzision einzusetzen.

Wer es direkter und anschaulicher liebt, findet hilfreiche Texte zum Beispiel in der „Laborpraxis“ unter „Acht Voraussetzungen für die korrekte Kalibrierung von Kolbenhubpipetten“ oder sucht auf Eppendorf.de nach Standardprüfanweisung für manuelle Dosiersysteme

Als wertvolle Fundgrube mit Blick auch auf Titratoren und den Einfluss des Pipettiergutes auf die volumetrischen Instrumente erweisen sich die Applikationsberichte auf www.Brand.de. Sie gehen inhaltlich zum Teil über die oben erwähnten Expertenberichte hinaus und bleiben dabei zudem anschaulich.

Wir sind eins – auch wenn wir viele sind

Erwähnenswert, aber eigentlich selbstverständlich, das Bild zeigt 24 Kolbenhubpipetten, die selbstverständlich eigens überprüft werden müssen. An dieser Stelle sei ein Blick in die Handhabungspraxis erlaubt. Mehrkanaldosiersystem und -pipetten gibt es in unterschiedliche Formaten und mit einer unterschiedlichen Anzahl von Kanälen. Ihnen gemein ist ihre bestimmungsgemäße Verwendung zum Beispiel im Kontext mit Mikrotiterplatten.

Während die visuelle Kontrolle bei Einzelpipettierungen noch plausibel erscheint, gerät sie bei der manuellen Handhabung einer Mikrotiterplatte sowie während der Handhabung sehr kleiner Volumina zu einem Akt der Unmöglichkeit.

Microplates.jpg
Von S.D. Hamilton (http://www.labautopedia.org/mw/index.php/User:S.d.hamilton)
http://www.labautopedia.org/mw/index.php/Image:Microplates.jpg, GFDL 1.2, Link

Da Überprüfungen die Eignung für praktische Handhabung qualifizieren sollen, stellt sich der Wechsel vom gravimetrischen zu einem photometrischen Verfahren zur Überprüfung als sinnvolle und mit der Norm vereinbare Alternative dar. Ziel und Erfolg bestimmen die Methode und nicht das Dogma, schon gar, wenn diese Möglichkeit auch normativ hinterlegt ist. Für die Auswertung der während der Überprüfung gewonnenen Daten stehen zahlreiche Programme zur Verfügung. Auch eigene Tabellenarbeitsblätter bieten sich bei entsprechender Einbindung in die Verfahrensanweisung an, wenn sie hinreichend überprüft sind, in das QM-System eingebunden und für den Gebrauch freigegeben sind.

Cave!

Das Bestehen der Überprüfungsroutine sollte eine notwendige aber keine hinreichende Voraussetzung für die Freigabe einer Kolbenhubpipette sein. Der empfohlene „Tropftest“ zur Überprüfung der Dichtigkeit des Systems kann als Schwachpunkt angesehen werden. Es kann/sollte sich empfehlen, die Pipette über den visuellen Tropftest hinaus einem Unterdrucktest mittels eines geeigneten Testgerätes zu unterziehen – zumindest dann, wenn nicht nur demineralisiertes Wasser pipettiert werden soll, denn in vielen Fällen bringt die zu handhabende Flüssigkeit ein spezifisches Gewicht oberhalb von 1 g/ml mit ;-)).

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