Kompetenz und Einarbeitung neuer Mitarbeiter

Zahlreiche Stellenanzeigen (z. B. Jobvector) für Tätigkeiten in Prüfeinrichtungen, die einer Form von Qualitätssicherung unterliegen, oder Forschungseinrichtungen finden sich in einschlägigen Portalen. Die Ausschreibung ein und der gleichen Stelle richtet sich dabei oft an Menschen mit von Art und Niveau unterschiedlicher Ausbildung. Auf den ersten Blick erstaunt die Offenheit für technisch (berufsfachschulisch, z. B. Technische Assistenz), betrieblich (z. B. Laborant) sowie hochschulisch (z. B. Bachelor / Master) qualifizierte Personen bei der Besetzung einer Position. Der betrieblich sinnvoll erscheinenden Öffnung einer Prüfeinrichtung für faktisch sehr unterschiedliche Bildungsarten und Qualifikationstypen muss ein differenziertes und passgenaues Einarbeitungs- und Kompetenzzumessungsregime unterlegt sein, wenn nicht „Unerwartetes“ erwartbar werden soll.

Aus dem Nähkästchen:

In einer biologisch-analytisch arbeitenden Prüfeinrichtung nimmt eine neue Arbeitskraft mit sehr guten Abschlusszeugnissen ihre Tätigkeit auf. Die Einarbeitung im „üblichen“ also parallel zu einer Fachkraft unter Aufsicht durchgeführten Regime verläuft sehr zufriedenstellend, sodass die Kompetenzzumessung für eigenständige und eigenverantwortliche Arbeit erteilt werden kann und wird. Die Urlaubszeit beginnt und die neu eingearbeitete Fachkraft muss zum ersten Mal Puffer und Stammlösungen selbstständig und alleine ansetzen. Einige Tage später häufen sich Kundenbeschwerden und Paralleluntersuchungen der Proben in einem anderen Labor kommen zu anderen, für die Kunden plausibleren Resultaten. Im Ergebnis kommt die Fehleranalyse zu dem Schluss, dass die in mehreren unterschiedlichen Analyseverfahren gemeinsam verwendeten Lösungen nicht korrekt angesetzt waren. Rechnung richtig, Ausführung falsch.

Ausbildungen und Bewertungen von Leistungen auch in unterschiedlichen Bildungseinrichtungen des gleichen Ausbildungsganges mögen sich auf dem Papier vergleichbar ausnehmen, sind es praktisch aber eher nicht. Im Rahmen des Studiums einer biologischen Fachrichtung mögen Absolventen die identischen Unterrichtselemente zum Nachweis von Elementen (Ionen fischen) wie Absolventen einer technischen Ausbildung erfolgreich hinter sich gebracht haben, aber die Aussage bezüglich der Vergleichbarkeit von Qualifikationen anhand dieser Ausbildungselemente zu treffen, sollte eine Erwähnung im Qualitätselement „Risiken & Chancen handhaben“ wert sein. Relevante Elemente, wie korrekte Handhabung, Ansetzen von Lösungen und Verdünnungen, Wägen etc. finden sich in den Beurteilungsgrundlagen der unterschiedlichen Bildungsgänge meist nicht angemessen und somit vergleichbar wieder.

Die eindeutige und korrekte Handhabung der genannten Arbeitsgänge jedoch ist Grundlage richtiger und vergleichbarer Ergebnisfindung.

Die Erfahrung lehrt zu Recht eine gewisse Vorsicht bei der Verwendung von praktischen Ergebnissen und Schlussfolgerungen, die in „wissenschaftlichen“ Untersuchungen gewonnen wurden. Die Aussage einer Promotionen betreuenden Kraft „Schreiben Sie die Ergebnisse einfach zusammen und publizieren Sie. Wenn ich die gleiche Arbeit wieder oder ähnlich vergebe, kommen sowieso andere Ergebnisse heraus.“ spricht für sich.

Es muss „etwas“ bei einer Arbeit herauskommen.

Akkreditierte Prüfeinrichtungen sind der Vergleichbarkeit, Richtigkeit, Präzision und Rückführbarkeit verpflichtet! Die Einarbeitung und Feststellung von Kompetenz haben die Erfüllung der genannten Pflichten zum Ziel. Eine ergebnisorientierte Diskussion und Berechnung von Befunden verstieße zudem gegen Fundamente akkreditierter Prüftätigkeit. Zu oft folgen Einrichtungen in Forschung und Wissenschaft nicht dem europäischen Leitfaden „Qualitätssicherung in Forschung und Entwicklung und Nicht-Routineanalytik – 2001“, sondern verwenden – wenn überhaupt – etwas Interessengeleitetes, Selbstgestricktes, was sie QM nennen. Eine Überprüfung der Eignung von Analyseverfahren – Ein Leitfaden für Laboratorien zur Verfahrensvalidierung – 2017“ ist ihnen ebenso fremd wie die Ermittlung der Ergebnisunsicherheit.

Spielt die Ergebnisunsicherheit eine Rolle und wird mit validierten beziehungsweise verifizierten Verfahren gearbeitet, werden Konformität, Präzision und Richtigkeit der Arbeit neuer Mitarbeitender im Labor entscheidend.

Schulung, Verifizierung, Audits … begleiten das Arbeitsleben des Laboralltags. Neue Mitarbeitende sollten am Ende der Einarbeitung bevorzugt an internen Vergleichsuntersuchungen teilnehmen. Als „Prüfungen“ sehen es allenfalls Novizen des Laboralltags an. Als Kompetenzfeststellungen sehen es das QM und Technische Leitungen, denn hiermit lässt sich der Erfolg der Einführungen dokumentieren, die zur Befugniserteilung und zu entsprechenden Eintragungen in der Kompetenzmatrix (Freigaben für Tätigkeiten) der Einrichtung berechtigen.

Am Beginn einer aufwandsoptimierten Einführung (lean Entrance) könnte ein für das Tätigkeitsportfolio optimiertes Quiz stehen, das Stärken und Unsicherheiten der einzuführenden Person erfasst. Als Unterseiten dieses Textes entstehen einige Vorschläge für ein Quiz / Fragebogen / interne Vergleichuntersuchung auf unterschiedlichen Niveaus und für unterschiedliche Fachbereiche von der Probenahme über die ermittlung der Mess- und Ergebnisunsicherheit bis zum Verfassen von Ergebnisberichten. Ganz wichtig jedoch ist zunächst die Basisarbeit in der Prüfeinrichtung / dem Labor / dem Gutachterbüro.

Ein verkürztes Beispiel könnte für Arbeiten im nasschemischen Bereich etwa wie folgt aussehen:

Fragen zur Volumetrie

1.Beim Ansetzen von 100 ml einer Farbstofflösung (z. B. Kristallviolett siehe obiges Bild) beschränkt die Intensität der Färbung die Transparenz der Lösung so stark, dass ein Meniskus nicht sicher erkennbar ist. In welcher Form müssen Sie diesen Umstand beim Auffüllen des Messkolbens berücksichtigen?

2.Benötigt wird eine Ethanollösung (50% v/v) (Volumenanteil). Welche Volumenanteile Wasser und Ethanol werden für 250 ml der Lösung benötigt? Nachdem sie 125 ml H2O und 125 ml Ethanol in einen Messkolben gefüllt und diese Lösung gemischt haben stellen Sie fest, dass die Flüssigkeitsmenge deutlich weniger als 250 ml beträgt, dabei schien vor dem Mischen noch alles gepasst zu haben.

Was ist der Grund?

  1. Verluste beim Überführen von Wasser und Ethanol in den Messkolben.
  2. Defekte an die volumetrischen Geräten.
  3. Falsche Temperaturen (exotherme Reaktion durch Mischung) der Messkolben ist auf 20°C geeicht.
  4. Spezielle Mischungsefekte wie Volumenkontraktion.

2.1. Wie ist im Weiteren zu verfahren?

  1. Das Mischungsverhältnis stimmt, es ist jedoch zu wenig Volumen also muss mehr von dem Gemisch angesetzt werden.
  2. Das Gemisch ist mit Wasser aufzufüllen bis der Meniskus der Lösung exakt auf dem Eichstrich liegt.
  3. Da Ethanol leichter flüchtig ist, muss mit Ethanol aufgefüllt werden.

2.2. Inwiefern unterscheiden sich Volumenanteil vom Volumenverhältnis bei der Mischung von Flüssigkeiten?

  1. Es gibt keinen Unterschied. Es handelt sich um zwei Begriffe für den gleichen Sachverhalt.
  2. Der Volumenanteil bezieht das Volumen der einen Komponente auf die Summe der Einzelvolumina der beiden Komponenten.
  3. Das Volumenverhältnis bezieht den Volumenanteil einer Komponente auf das Gesamtvolumen.

2.2 Mess- und Vollpipetten kommen in unterschiedlichen Typen und Genauigkeitsklassen daher. Sie wollen eine 50 ml Vollpipette der Klasse A überprüfen indem sie das Gewicht des pipettierten Wassers mittels Waage bestimme. Der maximale Fehler dieser Klasse beträgt für dieses Gerät 0,1 ml. Die temperaturbedingte Dichteänderung des Wassers wird mittels Dichtetabelle rechnerisch berücksichtigt. Welchen Waagentyp verwenden Sie für die Überprüfung?

a) Oberschalenwaage mit 2 Nachkommastellen.

b) Analysenwaage mit 5 Nachkommastellen.

… Solche und weitere Fragen nehmen die in der Entstehung befindlichen Quizze auf, geben auf Wunsch Hinweise und Erklärungen zu Lösungen / Lösungswegen und nennen am Ende die korrekten Antworten.

Ein verkürztes Beispiel könnte für Arbeiten im Bereich organoleptischer Untersuchungen könnte etwa wie folgt aussehen:

Für die Beurteilung akustischer Situationen ist unter anderem das individuelle Hörvermögen wesentlich. In welcher Form wird eine ausreichende Hörfähigkeit für eine akut anstehende Beurteilung einer Situation sichergestellt?

  1. Ab einem bestimmten Alter lassen sich alle für derartige Untersuchungen vorgesehenen Mitarbeiter ein für diese Zwecke angemessenes Hörvermögen von kompetenten Personen (z. B. Betriebsarzt mit entsprechender Weiterbildung und Ausstattung) bestätigen. Er nimmt ein Tonaudiogramm auf.
  2. Vor und nach einer Beurteilung wird ein standardisiertes Testgeräusch beurteilt.
  3. Eine Vorortbeurteilung /-einschätzung ist grundsätzlich nicht möglich. Es werden digitale Aufzeichnungen gemacht, die später im Labor technisch beurteilt werden.